Riposto
Nach meiner „Inspektion“ fahre ich nach Riposto, dem kleinen Örtchen gleich neben Torre Archirafi. Ich brauche noch eine Briefmarke für eine Postkarte, die ich nach Deutschland schicken will. Ich versuche ich es im nächsten tabacchino, leider erfolglos. Wenige Meter von der tabacchino weg finde ich die Poste Italiana, was für ein Glück! Es ist 15:30 Uhr, sicher ist die Poste Italiana zu. Doch nein, die Tür ist offen. Ich trete ein, sehe drei Schalter, einer ist belegt. Ich drehe mich vorsichtig um, kein anderer Kunde ist da, ich gehe an einen freien Schalter und frage nach einer Briefmarke. „Una seconda, Signora“ bekomme ich von dem Schalterbeamten zu hören. Dann ruft er über meinen Kopf hinweg einen Mann, der vor der Tür geraucht hat und nun hereinkommt. Der Beamte bedient ihn. Ich trete höflich einen Meter zurück und warte – zwei Schalter sind nun frei. Die Signorina an dem ersten freien Schalter ruft mir nun zu, ich solle ein „biglietto numerato“ ziehen. Suchend blicke ich mich um, sehe einen großen Apparat mit mehreren blinkenden Tasten. Welche Taste soll ich denn für eine Briefmarke drücken? Eine nette Kundin erkennt meine Ratlosigkeit, drückt für mich eine Taste und ich ziehe meine Nummer. Die Signora grinst mich an, ich sage „grazie tanto“ und gehe an den freien Schalter zur Signorina, der ich meinen Wunsch nach einer Briefmarke für eine Postkarte mitteile. Sie steht auf und verschwindet für eine Weile im hinteren Zimmer. Dann kommt sie mit einer – nämlich „meiner“ - Briefmarke zurück. Ich zahle einen Euro und sie fragt mich, ob sie die Briefmarke auf die Karte kleben darf. Überrascht von dem unvermuteten Service nehme ich das Angebot an, wer weiß, wann so ein Angebot wieder kommt! Ich danke und verabschiede mich. Die Signora, die mir an dem „Nummernapparat“ geholfen hat, wirft mir einen vielsagenden Blick zu, wir grinsen beide. Und denken wahrscheinlich das Gleiche. Was für ein Glück, in Italien einen Job bei der Poste Italiana zu haben. Und ich konnte es nicht glauben, aber es ist wahr, den Job kann man sogar an Familienmitglieder bei der Pensionierung „vererben“ – so ist Italien!
Wieder draußen vor der Tür sehe ich ein paar Meter weiter 10 bis 15 Leute vor einem Tor stehen. Neugierig schaue ich, was es denn da so gibt. Es ist das Tor zu einer Arztpraxis. Die Leute stehen Schlange vor der Tür! Was geht es uns in Deutschland gut, denke ich mal wieder wie so oft.
Ich mache noch einen Rundgang durch Riposto, gehe am Hafen vorbei, notiere verschiedene Tipps für Kunden und kehre an meinen Mietwagen zurück. Eigentlich will ich nach Torre Archirafi zurück, lande aber in Giarre am Spätnachmittag – im heftigsten Verkehr. Mir scheint, alles ist auf der Straße, wirklich alles. Es stockt und staut, es hupt und drängt. Trotzdem gelingt es mir, unterwegs zwei knusprige panini zu kaufen und in einer Metzgerei wunderbaren San Daniele. Der Abend scheint gerettet. Doch es herrscht wildes und hupendes Chaos auf der Straße. Endlich sehe ich ein Schild nach Torre Archirafi. Wunderbar, denke ich. Doch schon bei der ersten Möglichkeit, zwei Richtungen zu nehmen, gibt es kein Schild mehr. Ich entscheide mich natürlich für die falsche Richtung. Ich wende den Wagen bei der nächstbesten Gelegenheit und weiß überhaupt nicht mehr, wo ich bin. So ist Sizilien. Ich habe immer das Gefühl, als ob die Straßen ohne Plan, ohne System gebaut worden sind. Genauso geht es mir bei der Beschilderung. Ich stelle mir immer einen Sizilianer mit Rucksack gefüllt mit Schildern vor, der übers Land fährt und die Schilder verteilt. Ohne Plan natürlich. Einfach so.... Die Sizilianer mögen mir verzeihen, aber wir machen uns einen „Zettel“, einen „Plan“, wir schreiben eine „To do Liste“. Was macht der Sizilianer? Er trinkt zuerst mal einen caffè, dann setzt er sich ins Auto, dann fährt er los, steigt aus und diskutiert mit anderen, wie man was macht.
Am 11.04.18 treffe ich morgens noch Andrea Ercolani, einen lizensierten Ätna-Bergführer, ein Schweizer, der sich auf Vulkantouren spezialisiert hat. Mit ihm habe ich vor einigen Jahren ganz spontan eine Tour auf den Ätna mitgemacht, was eins meiner schönsten Erlebnisse in Sizilien war. Es war ein traumhafter Tag, Sonnenschein, strahlend blauer Himmel und Schnee auf der Kuppe des Ätna. Dieser gigantische Berg hat mich seitdem verzaubert. Ich liebe diesen Berg und mir geht das Herz auf, wenn ich ihn sehe.